Wie mache ich ein Testament? Teil 2

von Christian Seuß (rbm)

Ein Testament zu errichten, erfordert einige Überlegungen und die Beachtung formaler Dinge. Im ersten Teil unseres Beitrags zu diesem Thema, der im März erschien, ging es um grundlegende Fragen. Im nun folgenden zweiten Teil beschäftigt sich unser Autor mit Fragen, die in diesem Zusammenhang speziell für blinde und sehbehinderte Menschen relevant sind.

Welche Folge hat es, wenn sich mein Sehvermögen verschlechtert?

Eine Voraussetzung, um ein handschriftliches Testament zu verfassen, ist, dass der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung in der Lage ist, das handschriftlich Geschriebene mit eigenen Augen zu lesen. Ist dies nicht der Fall, kann die betreffende Person kein handschriftliches Testament errichten. Diese Vorschrift soll Menschen, die blind oder zunehmend sehbehindert sind, davor schützen, dass sie unzutreffende testamentarische Verfügungen treffen, weil sie das selbst geschriebene Testament nicht kontrollieren können.

Das Gleiche gilt für das sogenannte Ehegattentestament, das von einem Ehepartner handschriftlich geschrieben wird und von beiden eigenhändig zu unterzeichnen ist: Wenn einer der Ehepartner zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung das Geschriebene nicht mehr lesen kann, kann das Paar kein wirksames handschriftliches Testament aufsetzen.

Empfehlung 4

Sehbehinderte Menschen, deren Sehbehinderung fortschreiten kann, sollten kein handschriftliches, sondern ein notarielles Testament errichten. Ein unwirksames handschriftliches Testament wird als nicht existent betrachtet, und dann tritt – soweit es kein früheres Testament geben sollte – die gesetzliche Erbfolge ein.

Gelten die strengen Formerfordernisse auch für eine Ergänzung oder Änderung des handschriftlichen Testaments?

Diese Frage ist mit einem klaren “Ja” zu beantworten. Die strengen Formerfordernisse für das handschriftliche Testament gelten auch für Änderungen oder Ergänzungen zu einem bestehenden Testament. Etwa wenn die Oma, die wegen einer altersabhängigen Makula-Degeneration nicht mehr lesen kann, ihrem Enkelkind ein Geldvermächtnis zukommen lassen möchte. Diese Ergänzung muss notariell beurkundet werden.

Können sehbehinderte Menschen trotzdem ein rechtsgültiges handschriftliches Testament errichten?

Die Antwort lautet: “Ja, aber”. Voraussetzung ist, dass die betreffende Person zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung tatsächlich in der Lage ist, handgeschriebene Texte zu lesen und dies im Streitfall nachweisen kann.

Empfehlung 5

Wer von einer fortschreitenden Sehbeeinträchtigung betroffen ist, zum Zeitpunkt der Errichtung eines handschriftlichen Testaments aber noch lesen kann, sollte an das handschriftliche Testament ein augenärztliches Attest anhängen. Dieses sollte bestenfalls am gleichen Tag oder kurz nach der Beurkundung erstellt werden. In dem Attest wird bestätigt, dass die betreffende Person Handgeschriebenes lesen kann.

Zu diesem Vorgehen ist zu raten, weil gesetzliche Erben das Testament anfechten könnten, wenn sie darin nicht oder nicht wie erhofft berücksichtigt werden.

Bei fortschreitenden Augenerkrankungen ist es im Nachhinein oft schwierig festzustellen, ob die Person das Geschriebene noch lesen konnte, als sie das Testament oder eine Testamentsänderung verfasst hat. Dies ist umso schwieriger, wenn sich herausstellt, dass die sehbehinderte Person bereits über einen Schwerbehindertenausweis mit Merkzeichen “B” verfügte oder Hörerin einer Blindenhörbücherei war.

Welchen Vorteil hat ein notarielles Testament?

Ein wesentlicher Vorteil des notariellen Testaments ist, dass der notariellen Beurkundung eine eingehende erbrechtliche Beratung durch den Notar vorangeht. Der Notar wird darauf achten, dass der Wille des Erblassers bzw. der Erblasserin ermittelt wird und praktikable Regelungen gefunden werden.

Der Notar bzw. die Notarin wird alle relevanten Umstände ermitteln und zum Beispiel im Blick haben, ob pflichtteilsberechtigte Personen wie Kinder oder der Ehegatte berücksichtigt werden. Ebenso wird er oder sie darauf achten, dass das notarielle Testament in das zentrale Notarregister aufgenommen wird, sodass das Testament im Todesfall auch gefunden wird.

Ein weiterer Vorteil: Bei einer Nachlassabwicklung, bei der die Erbeinsetzung durch ein notarielles Testament oder einen Erbvertrag erfolgt, brauchen die Erbberechtigten keinen Erbschein, um sich damit zum Beispiel bei der Bank des Verstorbenen zu legitimieren – die Vorlage der notariellen Urkunde genügt. Liegt ein handschriftliches oder gar kein Testament vor, brauchen Erbberechtigte einen Erbschein. Das Amtsgericht stellt ihn gegen Gebühr aus.

Die Kosten für ein notarielles Testament richten sich nach dem Gerichts- und Notarkostengesetz. Es gilt der Grundsatz: Je höher der Nachlasswert, umso höher die Notargebühr. Der Wert für die Gebührenberechnung bestimmt sich nach dem Reinvermögen des Testierenden. Von den vorhandenen Vermögensgegenständen sind die darauf entfallenden Verbindlichkeiten (Schulden) abzuziehen, maximal allerdings bis zur Hälfte des Wertes des Aktivvermögens. Die Beurkundungsgebühr umfasst die gesamte Leistung des Notars, also rechtliche Beratung, Entwurfsfertigung und Beurkundung. Beispiel: Für die Beurkundung eines Einzeltestamentes erhält der Notar bei einem Reinvermögen von 50.000 Euro eine Gebühr von 165 Euro. Hinzu kommen jeweils Auslagen wie die Dokumentenpauschale, für Telefon und Porto, 15 Euro für die Registrierung im Zentralen Testamentsregister sowie die Umsatzsteuer von derzeit 19 Prozent.

Zum Schluss des Beitrags rate ich allen, sich rechtzeitig mit dem Thema “Mein letzter Wille” zu befassen und ihr persönliches Testament zu machen.


Dieser Artikel erschien in der Zeitschrift “Sichtweisen” Ausgabe 04/2019 des DBSV (Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband e. V.).

Angaben zum Autor

Christian Seuß
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