Keine Antwort ist auch eine Antwort

von Stefanie Jonasch (rbm)

Die Situation ist ein Klassiker: Man hat bei seiner Krankenkasse einen DAISY-Player oder ein Bildschirmlesegerät beantragt und hört monatelang nichts. Mit der Genehmigungsfiktion des Patientenrechtegesetzes, das im Februar 2013 in Kraft getreten ist, sollte dem entgegengewirkt werden. Die Rechtsberatungsgesellschaft “Rechte behinderter Menschen” informiert auf Grundlage der aktuellen Rechtsprechung.

Die Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB V ist zur Beschleunigung von Antragsverfahren bei den Krankenkassen eingeführt worden. Krankenkassen dürfen ihre Versicherten nicht mehr monatelang hinhalten, bis sie einen Antrag bewilligen oder ablehnen. Nach drei Wochen bzw. nach fünf Wochen, wenn der Medizinische Dienst eingeschaltet wird, muss die Krankenkasse über den Antrag entschieden haben. Nach Ablauf dieser Frist soll die Leistung als genehmigt gelten, wenn die Krankenkasse bis dahin nicht tätig geworden ist und keine Gründe genannt hat, weshalb sie mehr Zeit für die Entscheidung benötigt.

So eindeutig und klar diese Regelung auch klingen mag, war die genaue Auslegung bisher umstritten. Krankenkassen und einige Sozialgerichte vertraten die Auffassung, dass die Genehmigungsfiktion nur in solchen Fällen eintritt, in denen tatsächlich ein Anspruch auf die beantragte Leistung besteht.

Unklar war auch, ob Patienten lediglich einen Anspruch auf Kostenerstattung für angeschaffte Leistungen oder alternativ auf die beantragte Sachleistung erlangen. Schließlich war zu klären, bei welchen Leistungen die Regelung überhaupt anwendbar ist.

Wann kommt es zu einer Genehmigungsfiktion?

Das Bundessozialgericht hat sich mit seinem Urteil vom 8. März 2016 (Az. B 1 KR 25/15 R) erstmals mit der Frage des Umfangs und der Auslegung der Genehmigungsfiktion befasst und eine für die Versicherten positive Entscheidung getroffen.

Demnach hat eine Krankenkasse nach § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen oder in Fällen, in denen eine gutachterliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK), eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachterliche Stellungnahme für erforderlich hält, muss sie diese unverzüglich einholen und den Versicherten hierüber unterrichten. Ist es der Krankenkasse nicht möglich, diese Fristen einzuhalten, muss sie dies unter Darlegung der Gründe schriftlich mitteilen. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Ob die rechtlichen Voraussetzungen für eine Genehmigung der beantragten Leistung vorlagen, ob also tatsächlich ein Anspruch gegeben war, spielt keine Rolle.

Natürlich kommt diese Regelung nur unter bestimmten Bedingungen zur Anwendung. Damit die Genehmigungsfiktion eintreten kann, darf die beantragte Leistung nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der Gesetzlichen Krankenkassen liegen.

Es muss sich um eine Leistung handeln, die der Versicherte für erforderlich halten durfte. Weiterhin muss der Antrag so detailliert gestellt sein, dass die Krankenkasse sofort erkennen kann, welche Leistung beantragt wird. Der Antrag muss nach Art, Inhalt, Umfang und Dauer so bestimmt sein, dass eine direkte Entscheidung möglich ist.

Die Krankenkasse kann eine fingierte Leistungsgenehmigung nur zurücknehmen, widerrufen oder aufheben, wenn die Voraussetzungen hierfür von Anfang an nicht vorlagen oder später entfallen sind. Davon wird in der Praxis Gebrauch gemacht. Dies bedeutet für den Versicherten, dass nicht genau geklärt ist, zu welchem Zeitpunkt er die beantragte Leistung ohne Kostenrisiko selbst anschaffen kann.

Für welche Leistungen gilt die Regelung?

Der Gesetzgeber hat Leistungen zur medizinischen Rehabilitation aus dem Anwendungsbereich der Genehmigungsfiktion ausgenommen. Die Krankenkassen haben zum Teil argumentiert, dass Hilfsmittel den Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zuzuordnen sind, so dass die kurzen Bearbeitungsfristen hier auch nicht gelten. Vor diesem Hintergrund stellte sich die Frage, wie der Begriff der medizinischen Rehabilitation auszulegen ist. Das Bayerische Landessozialgericht hat in seinem Urteil vom 28. Juni 2016 (Az. L 5 KR 323/14) darauf verwiesen, dass das SGB V ausdrücklich den Begriff des Hilfsmittels gemäß § 33 von dem der medizinischen Rehabilitation gemäß § 40 unterscheidet. Damit ist klargestellt, dass Hilfsmittel in den Anwendungsbereich der Genehmigungsfiktion fallen.

Geld- oder Sachleistung: Wie kann der Anspruch umgesetzt werden?

Das Bundessozialgericht hat in dem genannten Urteil weiterhin klargestellt, in welcher Form der Versicherte die kraft Fiktion genehmigte Leistung von der Krankenkasse verlangen kann. Entweder wird ein Anspruch auf Sachleistung begründet, das heißt, die Krankenkasse stellt das beantragte Hilfsmittel zur Verfügung, oder der Versicherte kauft das Hilfsmittel selbst und die Krankenkasse erstattet die angefallenen Kosten. Indem auch der Sachleistungsanspruch anerkannt wird, soll mittellosen Versicherten, die nicht in der Lage sind, sich die jeweilige Leistung selbst zu beschaffen, ermöglicht werden, ihren Anspruch zu realisieren.


Dieser Artikel erschien in der Zeitschrift “Sichtweisen” Ausgabe 07-08/2017 des DBSV (Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband e. V.).

Angaben zur Autorin

Stefanie Jonasch
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