Bessere Versorgung mit Sehhilfen

von Markus Brinker (rbm)

Personen, die stark kurz- oder weitsichtig sind, mit Sehhilfen aber eine Sehschärfe von mehr als 30 Prozent erreichen, müssen in der Regel die hohen Kosten für Brillengläser oder Kontaktlinsen allein tragen. Mit dem Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (HHVG), das der Deutsche Bundestag im Februar beschlossen hat, werden die Krankenkassen stärker in die Pflicht genommen. Die Rechtsberatungsgesellschaft “Rechte behinderter Menschen” (rbm) informiert.

Bisherige Rechtslage

Gemäß § 33 Abs. 2 SGB V hatten volljährige Personen, die gesetzlich krankenversichert sind, bisher nur dann einen Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen, wenn sie entsprechend der von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen Klassifikation auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 haben. Dies entspricht im Regelfall einer Sehschärfe von nicht mehr als 0,3. Bei einer höheren Sehschärfe müssen zusätzlich Einschränkungen des Gesichtsfeldes auf 10 Grad oder weniger vorliegen. Maßgeblich war die Sehschärfe, die mit Sehhilfen, also Brillengläsern oder Kontaktlinsen, zu erreichen war.

Wer profitiert von den Neuregelungen?

Mit dem neuen Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz hat der Gesetzgeber den Kreis der Anspruchsberechtigten erweitert. Unverändert bleibt, dass minderjährige Personen grundsätzlich einen Anspruch auf Sehhilfenversorgung haben. Bei Versicherten, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, ergeben sich diverse Änderungen:

Keine Änderungen gibt es bei der Versorgung mit therapeutischen Sehhilfen. Der Anspruch besteht immer dann, wenn Augenverletzungen oder Augenerkrankungen behandelt werden müssen. Ein bekanntes Beispiel dafür ist der Kantenfilter.

Kritisch anzumerken ist, dass die Neuregelung den begünstigten Personenkreis sehr eng fasst. Im Gesetzestext werden ausschließlich die Diagnosen Myopie, Hyperopie und Astigmatismus genannt. Bei einer Aphakie (Linsenlosigkeit), bei der regelmäßig Sehhilfen mit mehr als 6 Dioptrien benötigt werden, können Probleme mit der Krankenkasse auftreten. Wichtig zu wissen ist, dass auch mit der Linsenlosigkeit eine Form der Weitsichtigkeit (Hyperopie) vorliegt.

Mit der Neuregelung hat künftig, unabhängig von der korrigierten Sehschärfe, ein größerer Personenkreis Anspruch auf Sehhilfen. Dennoch bleibt für den Personenkreis, der nicht profitiert, die Kritik bestehen, dass der Anspruch von der korrigierten Sehschärfe abhängt. Dies weist auf einen Systemfehler in der Sehhilfenversorgung hin. Hier ist die gesetzliche Krankenkasse, anders als bei Hörgeräten, erst ab einem willkürlich festgelegten Grad der Seheinschränkung zum Ausgleich verpflichtet.

Umfang der Regelversorgung

Die Regelversorgung durch die gesetzliche Krankenversicherung erfolgt mit einer Brille. Wann eine Kontaktlinsenversorgung medizinisch erforderlich erscheint, ist in der Hilfsmittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses in § 15 geregelt. Die Versorgung mit Kontaktlinsen schließt eine Versorgung mit einer zusätzlichen Brille nicht aus, da Kontaktlinsen bekanntermaßen nur begrenzt getragen werden können.

Die Leistungspflicht der Krankenkasse ist an das so genannte Wirtschaftlichkeitsgebot gebunden. Bieten zwei Optiker ein und dasselbe Brillenglas zu unterschiedlichen Preisen an, so ist die Kasse nur verpflichtet, die günstigeren Kosten zu übernehmen. Entscheidet sich der Versicherte für das teurere Glas, muss er die Differenz selbst tragen.

Weiterhin werden von der Krankenkasse nur die Brillengläser bezuschusst bzw. finanziert. Die Kostenübernahme für eine Brillenfassung ist gesetzlich ausgeschlossen (§ 33 Abs. 2 SGB V). Dieser Ausschluss wiederholt sich in der Hilfsmittel-Richtlinie, in der auch zusätzliche Merkmale eines Brillenglases ausgeschlossen sind, zum Beispiel deren Härtung oder Entspiegelung, da hierfür keine medizinische Notwendigkeit nachgewiesen ist.

Festbeträge und ihre Grenzen

Eine Begrenzung der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ergibt sich durch die Festbeträge nach § 36 SGB V. Damit sollte gleichzeitig - so der ursprüngliche Gedanke des Gesetzgebers - eine ausreichende und zweckmäßige Versorgung der Versicherten ohne Zuzahlung ermöglicht werden. In der Praxis ist dies aber nahezu ausgeschlossen, da die Festbeträge bereits bei ihrer Einführung sehr niedrig kalkuliert waren und bei Brillengläsern und Kontaktlinsen seit 2008 nicht mehr angepasst wurden.

Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat die Einführung von Festbeträgen grundsätzlich für zulässig anerkannt. Das Bundessozialgericht betont aber, dass die Leistungspflicht der Krankenkasse nur dann beschränkt ist, wenn es tatsächlich möglich ist, ein Hilfsmittel zum entsprechenden Festbetrag zu bekommen. Ist ein Optiker nicht in der Lage, ein Brillenglas zum Festbetrag anzubieten, da beispielsweise der Einkaufspreis über dem Festbetrag liegt, so greifen die Festbetragsregelungen nicht.

Daher ist es empfehlenswert, mehrere Optiker um einen Kostenvoranschlag gemäß Rezept zu bitten. Wenn daraus hervorgeht, dass ein Brillenglas oder eine Kontaktlinse nicht zum Festbetrag erhältlich ist, kann bei der Krankenkasse ein gesonderter Antrag gestellt werden. Sie ist in solchen Fällen verpflichtet, dem Versicherten die Brillengläser oder Kontaktlinsen zuzahlungsfrei zur Verfügung zu stellen (Sachleistungsprinzip) oder auf einen ortsnahen Optiker zu verweisen, der die erforderlichen Sehhilfen zum Festbetrag anbieten kann.


Dieser Artikel erschien in der Zeitschrift “Sichtweisen” Ausgabe 04/2017 des DBSV (Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband e. V.).

Angaben zum Autor

Markus Brinker
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