Hilfsmittel, Assistenz und Nachteilsausgleiche

von Dr. Michael Richter (rbm)

Wer schwerbehindert ist, soll im Studium die gleichen Chancen haben wie seine nicht behinderten Kommilitonen. Dafür sorgen viele Paragrafen in Gesetzen und Studienordnungen. Die Rechtsberatungsgesellschaft “Rechte behinderter Menschen” gibt einen Überblick über die einschlägigen Vorschriften und stellt dar, welche Ansprüche es gibt, um ins Studium reinzukommen und durchs Studium durchzukommen.

Lebensunterhalt

Behindert oder nicht behindert: Auch als Studierender muss man leben, sprich wohnen, essen, trinken usw. Hierfür gibt es kaum behinderungsspezifische Finanzierungsmöglichkeiten. Es gilt also, die Möglichkeiten einer Förderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) auszuloten oder gegebenenfalls die Eltern im Rahmen der bestehenden Unterhaltsverpflichtung in Anspruch zu nehmen.

Wichtig zu wissen: Selbst bei behinderungsbedingten Verzögerungen im Studienverlauf kann eine BAföG-Förderung meist nicht über die Regelstudienzeit hinaus verlängert werden. Gewisse Erleichterungen gibt es aber im Einzelfall bei der gesetzlichen Krankenversicherung und beim Kindergeld – durch die Familienmitversicherung und den Weiterbezug von Kindergeld über das 25. Lebensjahr hinaus.

Dass blinde und sehbehinderte Studierende kaum die Chance haben, sich ihr Studium mit einem Studentenjob zu finanzieren, ist nicht zu leugnen, findet aber allenfalls bei der Studienplatzvergabe eine Berücksichtigung.

Härtefallregelungen bei der Studienplatzvergabe

Klare Aussagen über die Erfolgsaussichten von Härtefallanträgen sind schwer zu treffen, seitdem weitgehend die Hochschulen für die Studienplatzvergabe zuständig sind. Inhaltlich kann ein solcher Antrag aus verschiedenen Gründen gestellt werden. Eine Wartezeit kann etwa eine unzumutbare Härte darstellen, wenn sie sich aufgrund einer Schwerbehinderung finanziell und inhaltlich nicht überbrücken lässt oder wenn ein drohender Sehverlust das angestrebte Studium erschweren würde. Für einen bestimmten Studienort kann man bei Blindheit mit vorhandenen Ortskenntnissen argumentieren. Um unabhängig von der Abiturnote oder anderen Zugangsvoraussetzungen die Chance auf die direkte Zuweisung eines Studienplatzes zu erhöhen, ist dem Antrag eine medizinische Stellungnahme beizufügen, die den jeweiligen Grund untermauert. Wie die Hochschulen und Fachhochschulen mit Härtefallanträgen umgehen, ist unterschiedlich: Zum Teil gibt es festgelegte Quoten, zum Teil zählen nur unabweisbare Gründe.

Nachteilsausgleiche

Alle Hochschulen sind gehalten, behinderungsspezifische Nachteilsausgleiche zu gewähren. Diese können den sehbehinderten oder blinden Studierenden von der Bewerbung um einen Studienplatz bis zur Abschlussprüfung begleiten. Im Kern geht es immer darum, bestimmte Anforderungen zu modifizieren, um Chancengleichheit zwischen behinderten und nicht behinderten Studierenden herzustellen. Denkbar sind beispielsweise Notennachlässe bei der Studienplatzvergabe, die Zulassung von Hilfsmitteln und/oder einer Studienassistenz bei Prüfungen oder die Gewährung von Zeitverlängerungen bei Leistungsnachweisen (in der Regel nicht mehr als 50 Prozent). Es empfiehlt sich, den Antrag frühzeitig zu stellen und wiederum eine medizinische Stellungnahme zu ergänzen. Nachteilsausgleiche sind meist in der Studienordnung für das jeweilige Studienfach geregelt, im Wortlaut aber sehr unbestimmt. Der Antrag sollte deshalb so fundiert wie möglich begründet werden.

Hilfsmittel und Hilfen

Die notwendigen Hilfen im Studium fallen generell in die Zuständigkeit des jeweiligen Eingliederungshilfeträgers gemäß § 54 und § 60 SGB XII. Das bedeutet, dass ein wegen des Studiums erforderliches Mobilitätstraining, eine Vorleseassistenz oder die notwendige Hilfsmittelausstattung nur einkommens- und vermögensabhängig gewährt werden (vgl. BSG vom 30.1.2001, Az.: B 3 KR 10/00 R). Da Studierende ihr 18. Lebensjahr meist vollendet haben, werden die Leistungen ohne Berücksichtigung des Einkommens und Vermögens der Eltern gewährt. Anrechnung findet hingegen das Einkommen und Vermögen eines Ehegatten oder Lebenspartners, sofern man gemeinsam wohnt (vgl. § 19 Abs. 3 SGB XII). Ein monatliches Einkommen von ca. 1.100 Euro (bei Studierenden, die selbstständig und alleine wohnen) oder von ca. 800 Euro (bei Studierenden, die bei ihren Eltern wohnen und keine Miete zahlen) stellt in der Regel kein Hindernis für die Leistungsgewährung dar, zumal das Blinden- oder Sehbehindertengeld bzw. die Blindenhilfe bei der Ermittlung des Einkommens unberücksichtigt bleiben. Problematischer ist hingegen die Vermögensgrenze, die bei alleinstehenden Studierenden bei 2.600 Euro liegt und im Wesentlichen nur nachweislich angespartes Blindengeld unberücksichtigt lässt (vgl. BSG vom 11.12.2007, Az.: B 8/9b SO 20/06 R).

Auch Anschaffungen, die nicht Hilfsmittel im medizinischen Sinne sind, also nicht für den Ausgleich einer Behinderung konzipiert sind (z. B. Laptops für Mitschriften und zum Betrieb eines Tafelkamerasystems), können im Rahmen der Eingliederungshilfe finanziert werden. Der Einwand, dass das Blindengeld oder die Blindenhilfe für studienbedingt notwendige Hilfen herangezogen werden kann, wird nicht selten vorgebracht, ist aber unzulässig (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen vom 27.1.2011, Az.: L 8 SO 171/08). Studierende, die bereits einen berufsqualifizierenden Abschluss haben – ob eine Berufsausbildung oder den Abschluss in einem anderen Studienfach – stoßen oft auf Schwierigkeiten, ihren Anspruch auf Hilfen über die Eingliederungshilfe durchzusetzen, weil die Leistungsgewährung nicht mehr erforderlich sei. Pauschal ist eine solche Begründung nicht rechtmäßig. Zumindest wenn mit dem zu fördernden Studium keine völlig neue Berufsrichtung eingeschlagen wird, kann ein “aufbauender” Studiengang im Rahmen der Eingliederungshilfe gefördert werden (vgl. LSG NRW vom 13.8.2010, Az.: L 20 SO 289/10 B ER).

Hilfsmittel, die der Grundversorgung dienen (z. B. Langstöcke und Mobilitätstraining, Braillezeilen), können auch bei der gesetzlichen Krankenversicherung beantragt werden, dürfen dann aber nicht mit dem Studium begründet werden. Hier ergeben sich gewisse Spielräume für die Antragsbegründung.


Dieser Artikel erschien in der Zeitschrift “Gegenwart” Ausgabe 01/2015 des DBSV (Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband).

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Dr. Michael Richter
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