Von Christiane Möller (rbm)
Menschen mit Behinderung sind überdurchschnittlich häufig von Arbeitslosigkeit betroffen. Nach wie vor tun sich viele Arbeitgeber schwer, behinderte Menschen einzustellen. Welche rechtliche Handhabe es gegen Diskriminierungen bei der Stellenbesetzung gibt, erläutert die Rechtsberatungsgesellschaft “Rechte behinderter Menschen”.
Gemäß § 7 Abs. 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) dürfen Beschäftigte nicht wegen eines der in § 1 AGG genannten Merkmale benachteiligt werden. Hierzu zählt eine Behinderung, wobei ein weiter Behinderungsbegriff Anwendung findet. Das AGG berücksichtigt nicht nur schwerbehinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50, sondern alle Menschen mit Behinderung – ja, es genügt sogar, dass ein Arbeitgeber eine Behinderung lediglich vermutet.
Beschäftigte im Sinne des AGG sind insbesondere Arbeitnehmer, Auszubildende, Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis, Selbstständige (z. B. freie Mitarbeiter) oder Organmitglieder (z. B. Geschäftsführer), soweit es um den Zugang zu einer Tätigkeit oder den beruflichen Aufstieg geht, sowie Personen, deren Beschäftigungsverhältnis bereits beendet ist.
Wenn ein behinderter Mensch wegen seiner Behinderung eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine Person ohne Behinderung, spricht man von einer Benachteiligung. Dabei muss die Behinderung nicht alleiniger Grund der Benachteiligung sein.
Es ist also immer der Vergleich mit einer nicht behinderten Person in gleicher Lage anzustellen. Im Falle der Bewerbung eines Kandidaten mit Behinderung muss geklärt werden, ob der Betroffene für die zu besetzende Stelle objektiv geeignet ist. Das heißt nicht, dass er der am besten geeignete Bewerber sein muss, sondern dass er das Anforderungsprofil für die jeweilige Stelle erfüllen muss.
Anders stellt sich die Situation dar, wenn eine bestimmte körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung für die Tätigkeit ist (z. B. gutes Sehvermögen für einen Piloten). Nach § 8 Abs. 1 AGG darf der Arbeitgeber Bewerber auch und gerade wegen ihrer Behinderung ablehnen, soweit die Behinderung die Arbeitsleistung überhaupt nicht oder nur völlig unzureichend – auch in Teilbereichen – gestattet und diese Mängel nicht durch öffentliche Hilfen ausgeglichen werden können (Einsatz von technischen Arbeitshilfen, Hilfsmitteln, Arbeitsassistenz etc.).
Für den Fall, dass gegen das Benachteiligungsverbot im Sinne von § 7 AGG verstoßen wird, hat der Benachteiligte nach § 13 AGG umfangreiche Beschwerderechte sowie nach § 15 AGG gegebenenfalls einen Schadenersatz- und/oder Entschädigungsanspruch. Ein Anspruch auf ein Beschäftigungs- oder Berufsausbildungsverhältnis besteht indes nicht (§ 15 Abs. 6 AGG). Adressat des Anspruchs auf Entschädigung ist immer der Arbeitgeber, nicht etwa eine bei der Stellenbesetzung eingeschaltete Personalvermittlung (BAG, 23.1.2014 – 8 AZR 118/13).
Ein Schadenersatz- bzw. Entschädigungsanspruch muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten seit Kenntnis der Benachteiligung gegenüber dem Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden. Ist eine gütliche Einigung nicht möglich, so ist der Entschädigungsanspruch binnen weiterer drei Monate ab der Geltendmachung beim Arbeitsgericht einzuklagen.
Für den Fall, dass es wegen einer Benachteiligung zu einem Rechtsstreit kommt, enthält § 22 AGG eine besondere Beweislastregelung. Demnach muss der Benachteiligte nur die Indizien für die Benachteiligung beweisen, während der Arbeitgeber im Wege des Vollbeweises zu beweisen hat, dass er nicht gegen die Regelungen zum Schutz vor Benachteiligungen verstoßen hat.
Gerade bei der Stellenbesetzung – von der Ausschreibung bis zur Neueinstellung eines Bewerbers – kommt es regelmäßig zur Benachteiligung behinderter Menschen. Welche Indizien hier für eine Diskriminierung sprechen können, zeigen die folgenden Beispiele:
Die Rechtsprechung zur Benachteiligung behinderter Menschen im Arbeitsleben wächst beständig. Zwar treten in der Praxis noch häufig Beweisschwierigkeiten auf, doch die Urteile machen deutlich: Das AGG zeigt Wirkung.
Dieser Artikel erschien in der Zeitschrift “Gegenwart” Ausgabe 10/2014 des DBSV (Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband).
Christiane Möller
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