Kalkulierte Ehrlichkeit bei der Jobsuche

Von Christiane Möller (rbm)

Es ist die Gretchenfrage bei der Stellensuche: Soll man seine Behinderung offenlegen oder nicht? Die Rechtslage lässt einen gewissen Ermessensspielraum. Das macht die Rechtsberatungsgesellschaft “Rechte behinderter Menschen” (rbm) deutlich und gibt in ihrem Beitrag auch Tipps für die Bewerbung.

Eine Arbeitsstelle zu finden, stellt behinderte Menschen vor besondere Herausforderungen. Sie sind weit häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen als Menschen ohne Behinderung und profitieren nicht vom allgemeinen Arbeitsmarktaufschwung. Umso wichtiger ist es, bei der Bewerbung alles richtig zu machen.

Bin ich verpflichtet, meine Behinderung offenzulegen?

Die erste Frage, die sich Arbeitsuchende häufig stellen, ist, ob sie rechtlich verpflichtet sind, dem potenziellen Arbeitgeber eine Behinderung oder Schwerbehinderung offenzulegen (eine Schwerbehinderung besteht ab einem Grad der Behinderung von 50). Von sich aus, das heißt, ungefragt, muss man grundsätzlich nicht darauf hinweisen. Etwas anderes gilt, wenn man die Arbeitsleistung aufgrund der Behinderung nicht vollständig erbringen kann, so dass bestimmte Anpassungen notwendig werden. In diesen Fällen muss der Betroffene erklären, wie sich seine Behinderung auf die konkrete Arbeit auswirkt.

Beispiel: Ein hochgradig sehbehinderter Erzieher, der sich auf die Stelle eines Kindergärtners bewirbt, muss seine Sehbehinderung offenlegen, da er eine große Kindergartengruppe auf dem Spielplatz möglicherweise nicht allein beaufsichtigen kann und er somit für diesen Teil der Arbeit personelle Unterstützung benötigt.

Was tun, wenn nach einer Behinderung gefragt wird?

Wie verhält es sich aber, wenn der Stellenbewerber nach einer bestehenden Behinderung gefragt wird. Muss er diese Frage wahrheitsgemäß beantworten? Und welche Konsequenz hätte eine unwahr erteilte Auskunft?

Nach der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts galt, dass die Frage nach einer Schwerbehinderung stets wahrheitsgemäß zu beantworten war. Der Grund hierfür war, dass der Arbeitgeber über die Schwerbehinderteneigenschaft informiert sein muss, um zum Beispiel prüfen zu können, ob er die Schwerbehindertenquote erfüllt. Entsprechend war die Frage nach einer Schwerbehinderung zulässig. Mehr noch: Eine wahrheitswidrige Antwort konnte wegen arglistiger Täuschung zur späteren Anfechtung des Arbeitsverhältnisses führen.

Heute ist die Frage differenzierter zu beantworten, auch wenn eine abschließende höchstrichterliche Entscheidung noch aussteht. Seit Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) dürfte die Frage nach einer Behinderung ohne Tätigkeitsbezug nicht mehr zulässig sein, weil sie als behinderungsbedingte Diskriminierung gewertet werden kann. Anders liegt der Fall nur dann, wenn eine bestimmte körperliche Funktion, eine geistige Fähigkeit oder die seelische Gesundheit des Bewerbers eine entscheidende Voraussetzung dafür ist, die geforderte Tätigkeit auszuüben. In diesen Fällen hat der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse an einer wahrheitsgemäßen Antwort. Dabei geht es nicht um den Status als Behinderter, sondern um die Abklärung, ob die tätigkeitsbezogenen Anforderungen erfüllt werden können.

Beispiel: Ein Busunternehmen darf nach der Sehfähigkeit einer Person fragen, die sich auf die Stelle eines Busfahrers bewirbt. Wenn der Bewerber die Frage falsch beantwortet, hat der Arbeitgeber später das Recht, den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten, es sei denn, die durch eine Seheinschränkung begründete Fahruntauglichkeit war offenkundig oder der Arbeitgeber hätte den Bewerber auch mit Behinderung eingestellt.

Wie gehe ich im Bewerbungsverfahren mit meiner Behinderung um?

Ein allgemeingültiges Rezept zum Umgang mit einer Behinderung gibt es nicht. Um erfolgreich am Arbeitsleben teilzuhaben, dürfte es aber hilfreich sein, die eigene Behinderung zu akzeptieren und realistisch mit ihren Auswirkungen umzugehen. So lassen sich Überanstrengungen und Missverständnisse wie auch Konflikte mit Kollegen und dem Arbeitgeber vermeiden. Was bedeutet das für Ihre Bewerbung?

Info:

Behinderte Stellenbewerber werden in Bewerbungsverfahren häufig benachteiligt, etwa durch Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch. Welchen Schutz bietet das Gesetz vor behinderungsbedingten Diskriminierungen? Dieser Frage geht die rbm in ihrem nächsten Beitrag in der Oktober-“Gegenwart” nach.


Dieser Artikel erschien in der Zeitschrift “Gegenwart” Ausgabe 7-8/2014 des DBSV (Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband).

Angaben zur Autorin

Christiane Möller
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