Sozialamt zahlt Laptop für Schüler

von Christiane Möller (rbm)

Viele Eltern blinder und sehbehinderter Kinder kennen den Kampf um die Versorgung ihrer Sprösslinge mit Hilfsmitteln für den Schulbesuch. Wer ist wofür zuständig? Die Krankenkasse, das Sozialamt oder doch der Schulträger? Bei der Beantwortung dieser Fragen bestehen oft große Unsicherheiten bei allen Beteiligten. Jüngst hat das Landessozialgericht für das Saarland wieder für etwas mehr Klarheit gesorgt. Die Rechtsberatungsgesellschaft “Rechte behinderter Menschen” berichtet.

Dem Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 24.10.2013 (Az. L 11 SO 14/12) liegt die Klage eines hochgradig sehbehinderten Schülers zugrunde, der integrativ die Realschule an seinem Heimatort besucht. Aufgrund seiner Sehbehinderung ist er auf ein Tafelkamerasystem angewiesen. Das System besteht aus einer schwenkbaren Kamera, mit der sowohl das Tafelbild als auch im Nahbereich das Schulheft oder Schulbuch aufgenommen und auf dem angeschlossenen Laptop vergrößert dargestellt werden kann. Die Tafelkamera und die Vergrößerungssoftware zahlte die Krankenversicherung. Streitig war jedoch die Frage, von wem die Kosten für das handelsübliche Laptop übernommen werden müssen. Das Gericht urteilte, dass das Laptop vom Sozialhilfeträger zu zahlen ist, und zwar ohne die sonst im Sozialhilferecht geltende Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen des Schülers und seiner Eltern. Diese Zuständigkeit setzt voraus, dass der Computer benötigt wird, damit der blinde oder sehbehinderte Schüler überhaupt am Unterricht teilnehmen kann. Doch warum ist hier das Sozialamt und nicht die Krankenkasse in der Pflicht?

Die Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherungen

Das Bundessozialgericht hat in seiner Entscheidung vom 22.07.2004 (Az. B 3 KR 13/03 R) geurteilt, dass die gesetzlichen Krankenversicherungen ihre Versicherten mit den erforderlichen Hilfsmitteln versorgen müssen, um die Erfüllung der Schulpflicht sicherzustellen. Grund hierfür ist, dass der Erwerb eines grundlegenden schulischen Allgemeinwissens zum Grundbedürfnis eines jeden Menschen zählt. Von dieser Versorgungspflicht sind aber nur Hilfsmittel im krankenkassenrechtlichen Sinn erfasst. Das sind all jene Gegenstände, die speziell für den Gebrauch durch behinderte Menschen entwickelt worden sind und überwiegend nur von diesem Personenkreis verwendet werden, etwa Braillezeilen, Screenreader, PC-Vergrößerungssoftware, Tafelkamerasysteme und Bildschirmlesegeräte. Nicht dazu zählen indes handelsübliche Laptops/Notebooks, auch wenn die Braillezeile oder das Kamerasystem ohne sie gar nicht funktionieren würde. Grund: Es handelt sich bei Laptops, Tablets und Co. um so genannte Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens, die von der Leistungspflicht der Krankenkassen ausgeschlossen sind (vgl. etwa BSG, Urteil vom 30.01.2001, Az. B 3 KR 10/00 R).

Die Pflichten des Sozialhilfeträgers

Nachrangig haben auch die Sozialhilfeträger eine Verantwortung zur Erbringung von Leistungen an behinderte Schüler. Konkret sind dies Hilfen für eine angemessene Schulbildung gemäß § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII. Über diese Vorschrift werden zum Beispiel Integrationshelfer in Regelschulen finanziert, die Kinder und Jugendliche mit Förderbedarf individuell unterstützen. Streitig war lange, ob auch sächliche Gegenstände wie Laptops unter diese Vorschrift fallen oder ob die Kostenübernahme hierfür ausschließlich als Hilfen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft i. S. v. § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII i. V. m. § 55 SGB IX erfolgen kann. Das ist ein wesentlicher Unterschied, obgleich beide Ansprüche Teil der Eingliederungshilfeleistungen sind. Denn anders als die Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sind Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung unabhängig von der finanziellen Situation des Kindes und seiner Eltern zu erbringen (§ 92 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII).

Das Landessozialgericht für das Saarland hat nun geurteilt: “Bei dem hier streitgegenständlichen Notebook/Laptop handelt es sich um eine Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung i. S. d. §§ 53 Abs. 1, 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 92 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB XII i. V. m. § 12 EinglVO (Verordnung nach § 60 SGB XII). Zwar sind in diesen Vorschriften Hilfsmittel - insbesondere ein Notebook/Laptop - nicht ausdrücklich benannt. Eine Hilfe für eine angemessene Schulbildung kann jedoch unstreitig auch durch die Versorgung mit einem Hilfsmittel in Betracht kommen ...” Und weiter: “Es ist dabei unerheblich, ob dieses Notebook auch außerhalb der Schule Verwendung finden könnte. Denn jedenfalls ist dieses erforderlich, um es dem Kläger zu ermöglichen, überhaupt dem Unterricht zu folgen, am Unterricht teilnehmen zu können und somit letztendlich ihm eine angemessene Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen.”

Letzteres bedeutet nicht, dass das Sozialamt jedem behinderten Schüler ein Laptop einkommens- und vermögensunabhängig zur Verfügung stellen muss. Dies kommt nur dann zum Tragen, wenn der Schulbesuch ohne Laptop nicht möglich ist. Beim Behinderungsausgleich für die soziale Teilhabe, also zum Surfen, Mailen und Chatten, zahlt das Sozialamt nur unter der Voraussetzung, dass der betroffene Jugendliche bzw. bei Minderjährigkeit seine Eltern sozialhilfebedürftig sind.

Fazit

Solange die allgemeine Schulpflicht besteht (meist bis zur 9. bzw. 10. Klasse), sind die Krankenkassen für die Bereitstellung der behinderungsspezifischen Hilfsmittelkomponenten verantwortlich. Das Laptop als Basisgerät sowie alle Hilfsmittel, die nach Absolvierung der Schulpflicht benötigt werden, sind demgegenüber vom Sozialhilfeträger zu zahlen - sofern das Schulrecht des jeweiligen Bundeslandes nicht ausdrücklich eine Zuständigkeit des Schulträgers vorsieht.


Dieser Artikel erschien in der Zeitschrift “Gegenwart” Ausgabe 04/2014 des DBSV (Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband).

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Christiane Möller
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