Prüfsteine für einen erfolgreichen Antrag

von Christiane Möller und Felix Tautz (rbm)

Ob Bildschirmlesegerät oder Langstock, LPF-Schulung oder Arbeitsassistenz: Bei der Beantragung von Hilfsmitteln oder anderen Leistungen stellen sich einem gerne rechtliche Hindernisse in den Weg. Bereitwillige und einsichtige Kostenträger sind leider nur selten zu finden. Umso wichtiger ist es, bei der Antragstellung alles richtig zu machen. Die Rechtsberatungsgesellschaft "Rechte behinderter Menschen" gibt bewährte Praxis-Tipps.

Welchen Bedarf habe ich?

Zunächst sollten Sie für sich klären, wie Ihr Bedarf tatsächlich aussieht. Stellen Sie sich also die Frage, wofür Sie Unterstützung benötigen. Soll es ein Hilfsmittel sein oder brauchen Sie Assistenz? Sind Sie tatsächlich auf eine Pflegeperson angewiesen oder können Sie Ihren Alltag auch nach einer Schulung in Lebenspraktischen Fähigkeiten (LPF) wieder selbstständig gestalten? Muss der Arbeitsplatz nur sehbehindertengerecht umgestaltet werden oder ist vielmehr der Zeitpunkt für eine Umschulung gekommen?

Diese Fragen werden Sie nicht immer allein beantworten können. Holen Sie sich deshalb Unterstützung, etwa bei Ihrem Augenarzt, bei speziellen Low-Vision-Beratungsstellen oder bei der Blinden- und Sehbehindertenselbsthilfe, um nur einige Anlaufstellen zu nennen. Bedenken Sie dabei, dass Anbieter von speziellen Hilfen für blinde und sehbehinderte Menschen auch Wirtschaftsunternehmen sind, die Geld verdienen wollen. Suchen Sie sich also unbedingt eine unabhängige Beratung und vergleichen Sie verschiedene Angebote. Es ist wichtig, diesen ersten Schritt ernst zu nehmen, denn eine gute Bedarfsermittlung hilft Ihnen gleich doppelt: Sie können Ihre Ansprüche bei den zuständigen Kostenträgern überzeugend darstellen und Sie erhalten am Ende die Unterstützung, die Sie wirklich weiterbringt.

Wann habe ich einen Anspruch?

Ein Anspruch auf Unterstützung kann nur dann geltend gemacht werden, wenn tatsächlich ein Bedarf festgestellt wird. Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass man alle fünf Jahre von seiner Krankenkasse eine neue Hilfsmittelausstattung bekäme. Deshalb kommen einige Anbieter pünktlich vor Ablauf dieser Frist bei ihren Kunden vorbei. Problem: Wenn das fünf Jahre alte Bildschirmlesegerät  –  um nur ein Beispiel zu nennen  –  noch gut funktioniert und man damit ordentlich lesen kann, gibt es keinen Grund, bei der gesetzlichen Krankenkasse ein neues Gerät zu beantragen. Erst wenn das Hilfsmittel nicht mehr zuverlässig funktioniert oder ein anderer Bedarf entsteht  –  etwa ein Vorlesegerät benötigt wird, weil das Sehen weiter nachgelassen hat -, kann ein Neuantrag gestellt werden.

Wer ist zuständig?

In Deutschland gibt es ein so genanntes gegliedertes Sozialleistungssystem. Je nach festgestelltem Bedarf ist die Leistung etwa bei der Krankenkasse, dem Rentenversicherungsträger, der Arbeitsagentur, dem Integrationsamt oder dem Sozialamt zu beantragen. Das für den juristischen Laien schwer durchschaubare Geflecht von Zuständigkeiten führt dazu, dass viele Betroffene erst gar nicht den Versuch unternehmen, ihre Ansprüche geltend zu machen oder aber die Verfolgung ihrer Ansprüche aufgeben. Das allerdings zu Unrecht, denn der Gesetzgeber hat zum Schutz der Betroffenen Regelungen geschaffen, die eine rasche Klärung der Zuständigkeit herbeiführen und verbindliche Ansprechpartner benennen (vgl. "Gegenwart" 7-8/2010).

Um eine grobe Orientierung zu geben, welcher Kostenträger für welche Leistungen zuständig ist, hier einige Beispiele:

Wie stelle ich den Antrag?

Im Antrag sollte der tatsächliche Bedarf möglichst umfassend und authentisch begründet werden. Oft ist es notwendig, beim zuständigen Sachbearbeiter Aufklärungsarbeit zu leisten. Dies gilt insbesondere für Leistungen, bei denen man nicht voraussetzen kann, dass der Nutzen bekannt ist, etwa bei LPF-Schulungen oder Hilfsmitteln, die sehr teuer sind und daher nur zurückhaltend finanziert werden. Wünschenswert ist vieles, aber das Sozialrecht gewährt nur notwendige Hilfen. Das sollte Ihnen klar sein. Die Begründung des Antrags sollte durch Kostenvoranschläge und fachliche Stellungnahmen ergänzt werden, etwa vom Augenarzt, Hausarzt, einer Low-Vision-Beratungsstelle, Sonderpädagogen bei Kindern etc. Das freut den Sachbearbeiter und erhöht meist die Chancen auf eine Kostenzusage. Es empfiehlt sich, den Antrag selbst zu stellen. So ist gewährleistet, dass der zuständige Kostenträger mit Ihnen in Kontakt treten kann und Sie den Überblick über den Fortgang des Verfahrens behalten.

Auch wenn die Versorgung mit einem Hilfsmittel eigentlich keinen Aufschub mehr erlaubt, ist von einer selbstständigen Beschaffung abzuraten. Denn in dem Fall besteht seitens des Kostenträgers häufig keine Versorgungsverpflichtung mehr.

Was passiert nun?

Noch ein Tipp:

Damit Sie immer mitverfolgen können, wie es um Ihren Antrag bestellt ist, haben Sie das Recht, alle Zwischennachrichten, Bescheide und eingeholten Gutachten, die sich im Laufe des Verfahrens ansammeln, in einer für Sie wahrnehmbaren Form einzufordern. Die Kostenträger sind verpflichtet, Ihnen die Dokumente je nach Wunsch in einem elektronischen Format, in Braille oder als DAISY-Version zur Verfügung zu stellen.

Artikel aus der “Gegenwart” 07-08/2010: Das Schwarze-Peter-Prinzip


Dieser Artikel erschien in der Zeitschrift “Gegenwart” Ausgabe 07-08/2011 des DBSV (Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband).

Angaben zu den Autoren

Christiane Möller
Felix Tautz
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