DAISY-Nachhilfe für Krankenkassen

von Christiane Möller (rbm)

Wer noch nicht auf DAISY umgestiegen ist, für den wird es allerhöchste Zeit. Dabei stellt sich natürlich die Frage, wer das Abspielgerät zahlt. Wenn man keinen PC besitzt, werden die Kosten in der Regel übernommen, zumindest der größte Teil. Die Rechtsberatungsgesellschaft “Rechte behinderter Menschen” über die aktuelle Rechtsprechung  –  und wie sie angewendet wird.

Als die ersten DAISY-CDs kursierten, war schnell klar, dass es nun endlich eine Möglichkeit gab, blinden und hochgradig sehbehinderten Menschen einen strukturierten Zugriff auf aufgesprochene Texte zu eröffnen. In Büchern konnte kapitel- oder seitenweise hin- und hergesprungen, in Zeitschriften rubriken- oder artikelweise “geblättert” werden, Lesezeichen ließen sich setzen, die Sprachgeschwindigkeit ließ sich individuell einstellen, ohne dass die Tonqualität darunter zu leiden hatte ... Kurzum: Ein bedarfsdeckender Zugriff auf gesprochene Texte aller Art wurde Wirklichkeit.

Nur die Abspielgeräte für diese neuartigen CDs mussten für die Betroffenen noch finanzierbar gemacht werden  –  bei einem Preis von über 350 Euro pro Gerät eine wichtige Aufgabe. Das Hilfsmittelverzeichnis der Krankenkassen sollte die Lösung bringen. Schließlich ist DAISY ein Datenformat, das fast ausschließlich von blinden und sehbehinderten Menschen genutzt wird, die dazu erforderlichen Abspielgeräte sind damit Hilfsmittel im Sinne des SGB V. Und so verhandelte man mit den Spitzenverbänden der gesetzlichen Krankenkassen über eine Aufnahme der DAISY-Player ins Hilfsmittelverzeichnis. Insbesondere die Mitarbeiter des DBSV taten alles, um die Verhandlungen zu einem positiven Abschluss zu bringen. Zunächst sah es nach einem Erfolg aus. Doch in letzter Sekunde entschieden die Spitzenverbände anders, nahmen den DAISY-Player nicht auf und schrieben stattdessen sogar ausdrücklich in das Hilfsmittelverzeichnis, dass es sich bei derartigen Geräten nicht um Hilfsmittel im Sinne des Krankenkassenrechts handele.

Kurzer Schock, aber wer will schon gleich aufgeben? Wenn die Krankenkassen nicht einsehen wollen, wie wichtig DAISY für blinde und sehbehinderte Menschen ist, dann müssen sie es sich eben von Gerichten erklären lassen. Zahlreiche Menschen beantragten DAISY-Player bei ihren Krankenkassen, erhielten Ablehnungen und zogen ins Widerspruchs- und Klageverfahren. Unterstützung erhielten viele von Dr. Michael Richter, der nicht müde wurde, den Krankenkassen zu erklären, dass eine DAISY-CD nicht mit einem normalen CD-Player abgespielt werden kann, dass die Strukturfunktionen von DAISY zur Informationsbeschaffung für blinde und sehbehinderte Menschen unabdingbar sind und dass das gerade angesprochene Hilfsmittelverzeichnis bloß eine unverbindliche Meinungsäußerung der Krankenkassen darstellt.

Im Mai 2008 entschied dann das erste Sozialgericht im Sinne einer hochgradig sehbehinderten Klägerin (Urteil des SG Fulda vom 15.05.2008, Az.: S 4 KR 572/06). Die “Gegenwart” berichtete in der Ausgabe 7-8/2008. Drei weitere rechtskräftige sozialgerichtliche Entscheidungen folgten (Urteile des SG Nürnberg vom 17.09.2008, Az.: S 7 KR 411/06, des SG Wiesbaden vom 17.03.2009, Az.: S 17 KR 23/07 sowie Gerichtsbescheid des SG Oldenburg vom 07.11.2008, Az.: S 6 KR 329/07).

Zahlreiche Krankenkassen lenkten aufgrund dieser Rechtsprechung freiwillig ein und stellten ihren Versicherten erforderliche DAISY-Abspielgeräte zur Verfügung. In Berlin hingegen fuhr gerade die AOK weiterhin einen besonders harten Kurs, sodass das dortige Sozialgericht in einigen Kammern mit “DAISY-Fällen” geradezu überflutet wurde. In den letzten Wochen ging aber auch diese Kasse dazu über, eine gütliche Einigung zu suchen. Die daraufhin geschlossenen gerichtlichen Vergleiche sehen einen Zuschuss von 250 Euro für die Beschaffung eines DAISY-Players vor. Den Restbetrag müssen die Versicherten selbst zahlen.

Das mag nach einer Minimallösung aussehen, ist aber nicht ganz unberechtigt  –  schließlich kann ein DAISY-Player nicht nur DAISY-CDs, sondern auch ganz normale Audio-CDs abspielen, und so soll der Betroffene für diesen fiktiven Anteil eines Wiedergabegerätes selbst zahlen. Die behinderungsbedingten Mehrkosten für die Nutzung von DAISY erkennt die AOK aber mittlerweile an. Einschränkend muss man allerdings hinzufügen, dass ein Anspruch auf einen DAISY-Player nur besteht, sofern der Antragsteller nicht über einen PC verfügt, auf dem die kostenlose DAISY-Software genutzt werden kann.

Kämpfen lohnt sich also, wenn man fachkundig argumentiert. Fachkundig heißt dabei nicht nur, die juristische Definition von Hilfsmitteln im Sinne des Krankenkassenrechts zu kennen. Erforderlich ist auch, fundierte Kenntnisse über blinden- und sehbehindertenspezifische Belange zu haben. Wie gelangen blinde und sehbehinderte Menschen an Informationen? Wie können Informationen aufgenommen werden? Und welche Einsatzmöglichkeiten bieten die verschiedenen Hilfsmittelsysteme? Gerät man nur bei einer dieser Fragen ins Straucheln, so kann ein Gerichtsverfahren auch leicht einmal negativ ausgehen, wie jüngst in Koblenz, wo das Gericht den Anspruch auf einen DAISY-Player nicht anerkannte. Wenn man sich die Urteilsgründe näher betrachtet, wird deutlich, dass es dem dortigen Kläger nicht gelungen ist, die Wichtigkeit der strukturierten Zugriffsmöglichkeit auf Texte herauszustellen  –  insbesondere bei der Lektüre von Zeitschriften oder auch Verbandsmedien wie DBSV-Inform. Der Fall wird jetzt vor dem Landessozialgericht verhandelt und man darf auf das Ergebnis gespannt sein. Ausdrücklich sei an dieser Stelle betont, dass dieser Fall nicht von der Rechtsberatungsgesellschaft “Rechte behinderter Menschen” betreut wird.


Dieser Artikel erschien in der Zeitschrift “Gegenwart” Ausgabe 12/2009 des DBSV (Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband).

Angaben zum Autor

Christiane Möller
Rechte behinderter Menschen gGmbH
Frauenbergstr. 8
35039 Marburg
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