Interview zur Gründung und Aufgaben der "rechte behinderter menschen gGmbH" (rbm)

Jörg Friedrich, Redakteur des "Erfurter Hörmagazins", führte für die November Ausgabe 2009, am 26. November 2009, folgendes Interview mit Dr. Michael Richter, dem Geschäftsführer der gemeinnützigen GmbH "rechte behinderter menschen" (rbm).

Moderation:

Wer kennt das nicht. Die Krankenkasse lehnt die Kostenübernahme für ein Lesegerät ab. Die Gewährung von Blindengeld oder Blindenhilfe wird abschlägig beschieden, obwohl Anspruch besteht. Leistungen im Rahmen der Pflegeversicherung werden nicht gewährt oder die Ausstattung von Schülern und Studenten, mit den erforderlichen Hilfsmitteln, wird unnötig verzögert. Viele Betroffene lassen die Sache auf sich beruhen, da die Auseinandersetzungen mit den jeweiligen Leistungsträgern oft sehr langwierig und kompliziert sind. Auf sich allein gestellt fällt es den Betroffenen schwer, berechtigte Ansprüche durchzusetzen, wenn sich der Leistungsträger weigert. An wen kann man sich wenden, um Rat und gegebenenfalls rechtlichen Beistand zu erhalten? Wie sieht es mit den Kosten aus für eine Vertretung bei Klagen vor Gericht?

Wir haben uns über diese Themen mit dem Geschäftsführer der neu gegründeten "rechte behinderter menschen" gGmbH, Herrn Dr. Richter, unterhalten.

[Musikjingle]

Beginn des Interviews

Jörg Friedrich: Am Telefon begrüße ich Herrn Dr. Richter. Herr Dr. Richter ist der Geschäftsführer der "rechte behinderter menschen" gGmbH. Guten Morgen, Herr Richter.
Dr. Richter: Guten Morgen.
Friedrich: Herr Richter, womit beschäftigt sich die "rechte behinderter menschen" gGmbH?
Dr. Richter: Also, die "rechte behinderter menschen" gGmbH ist erst mal eine Tochter des Deutschen Blinden und Sehbehinderten Verbandes und des Deutschen Vereins der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf und beschäftigt sich mit der kostenlosen Rechtsberatung und Rechtsvertretung für blinde und sehbehinderte Mitglieder dieser beiden Verbände, bzw. beim DBSV, der Mitglieder der Landesverbände.
Jörg Friedrich: Also werden dort ausschließlich Probleme von blinden Menschen behandelt,
Dr. Richter: Ja.
Jörg Friedrich: von Blinden und Sehbehinderten behandelt?
Dr. Richter: Ja, genau so ist es. Ausschließlich Probleme von sehbehinderten und blinden Menschen und zwar, die natürlich auch im Zusammenhang mit der Behinderung bestehen und unser Tätigkeitsfeld ist rein rechtlich auf den Bereich des Sozial- und Verwaltungsrechts beschränkt.
Jörg Friedrich: Also mit Privatrecht, wenn ich, ähm, bei jemandem was kaputt gemacht hab oder irgendwas anderes, damit kann ich nicht zu Ihnen kommen?
Dr. Richter: Damit können Sie gerne kommen. Das kann ja auch 'ne behinderungsspezifische Komponente haben. Es kann ja auch mal was kaputt gehen, gerade weil man eben etwas nicht gesehen hat. Beraten tun wir da gerne - nur vertreten dürfen wir es nicht.
Jörg Friedrich: Wie ist denn jetzt eine Vertretung überhaupt möglich? Gehen wir davon aus, wir wohnen in Erfurt, ich hab hier ein Problem mit dem Blindengeld und möchte mich an Sie wenden. Wie komm ich an Sie ran und wie können Sie mir helfen?
Dr. Richter: Ja, also Informationen werden Sie natürlich dann beim thüringischen Landesblindenverband bekommen, von meinen Kontaktdaten bis hin evtl. zu einer ersten Einschätzung, macht das Sinn, braucht man hier einen Juristen oder nicht. Und der Kontakt ist am besten, denk ich, über die Landesverbände herzustellen. Es ist aber auch kein Problem mich direkt anzurufen. Die Telefonnummern haben wir - und der Erstkontakt findet meistens telefonisch statt - über die Gegenwart z.B. kommuniziert.
Jörg Friedrich: Wie ist man denn überhaupt auf die Idee gekommen? Ist es denn wirklich nötig oder nochmal einen einzelnen Verband oder eine einzelne gGmbH zuhaben, die die Rechte Blinder vertritt? Die Sozialgerichte und der VDK, die bieten ja auch mitunter, ähm, kostenlose Rechtsberatung an und noch kostenlose Rechtsvertretung. Ist es da so wichtig gewesen?
Dr. Richter: Also, knappe Antwort, Ja. Und wenn ich dann weiter ausholen soll, wie das Ganze entstanden ist: Ich war Geschäftsführer des DVBS, also des Deutschen Vereins der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf und dort war es Teil meiner Aufgaben, eben auch weil ich selber Jurist bin und zugelassener Rechtsanwalt, sag ich mal, die rechtlichen Interessen der Mitglieder zu vertreten und die Leute auch zu beraten. Jetzt ist der DVBS als vornehmlich, sag ich mal, für Leute in akademischen Berufen relativ kleiner Verband mit etwa 1400 Mitgliedern. Und selbst in diesem recht kleinen Verband hat diese Arbeit so zugenommen, dass ich das mit der Geschäftsführung nicht mehr wirklich koordinieren konnte. Es hat einfach Überhand genommen. Es war so viele Anfrage und die Erkenntnis, dass soviel Anfrage in solch einem kleinen Verband schon besteht, hat uns dann zu der Idee gebracht - und zwar entstanden auf der Verwaltungsratssitzung des DBSV 2007 - dass doch auch für alle zugänglich zu machen und das ganze dann eben auch mit einer entsprechenden Infrastruktur zu versehen. Und wir denken, dass da soviel Nachfrage besteht und das zeigt sich jetzt auch schon, in der der kurzen Zeit der Aufnahme der Tätigkeit dieser Rechtsberatungsgesellschaft, dass da soviel Nachfrage ist, dass man da auch vielleicht mehrere betroffene Juristen mit beschäftigen kann. Das ist zum einen natürlich schon mal ein Wert an sich, aber zum andern einfach auch den Leuten weiterhelfen kann. Und wenn sie ansprechen, Sozialrechtsberatung durch entweder Sozialgerichte selber oder, durch den VDK, dann stimmt das natürlich in 'nem gewissen Umfang. Aber es hat sich einfach gezeigt, dass die spezialisierte Beratung für diese ganz ganz speziellen Probleme nochmal deutliche Vorteile mit sich bringt für die Betroffenen, weil natürlich die meisten Fallkonstellationen sich ähneln und man hier wirklich hochspezialisiert vertreten kann und man kann eben auch im Vorhinein in einer Vertretung schon sehr genau sagen, ob das von Erfolg gekrönt ist oder nicht. Mit Ausnahmen. Manchmal macht man natürlich auch etwas, wo man mal schaut und sagt, ja, das müsste eigentlich so sein. Rechtlich ist es nicht ganz klar und hier versucht man den Rechtskreis zu erweitern für, sag ich mal, Personenkreis der Blinden und Sehbehinderten.
Jörg Friedrich: Was sind denn so die typischen Fälle, die, mit denen man sich an Sie wendet? Was sind so die typischen Bereiche?
Dr. Richter: Also ganz typisch sind natürlich, sag ich mal, die Hilfsmittelausstattung, die von der Krankenkasse, und dann eben meistens von der gesetzlichen Krankenkasse, äh, nicht übernommen werden, oder nicht so übernommen werden, wie der Betroffene das gerne hätte. Das heißt, vielleicht nach 'ner intensiven Beratung, er zu dem Ergebnis kommt, dass es ein bestimmtes Gerät sein sollte, weil es am sinnvollsten ist, weil er auch in der Handhabung damit am besten zurecht kommt und, sag ich mal, einfach das die sachgerechte Ausstattung ist.
Jörg Friedrich: Da ist es aber auch egal, ob es im privaten oder im beruflichen Bereich ist?
Dr. Richter: Nein. Also, wenn wir von der gesetzlichen Krankenkasse sprechen, dann ist es erstmal für den privaten Bereich, aber dann steht dem eben oft gegenüber, dass die Krankenkasse sagt: nein, wir sind hier nur für 'ne Grundversorgung zuständig. Das gibt es nicht. Obwohl es vielleicht dann eben wirklich auch sinnvoller wäre. Dann muss man sich jeden Einzelfall anschauen, besteht ein Anspruch, ist vielleicht auch etwas Teureres, auch im Rahmen der Grundversorgung, zu erstatten oder nicht, aber das kann man eben mit ein bisschen Erfahrung. Das ist zwar ein Bereich. Das ist der private Bereich. Und dann gibt es natürlich auch die gesamte Bandbreite der Sozialhilfeträger, von, sag ich mal, Kostenübernahmen für Schulen, für Internate, für dann später Ausbildung oder Leistungen im Berufsleben. Ganz unterschiedlich. Natürlich aber auch dann, was weiß ich, bis hin zur Rentenberatung.
Jörg Friedrich: Wie geht das dann alles vor sich? Ähm, Ich, ich melde mich bei Ihnen, Sie finden das Ganze vertretungswürdig, hat auch Aussicht auf Erfolg und kommt es da oft zur Gerichtsverhandlung, wo dann jemand vor Ort sein muss und wie würde das dann passieren?
Dr. Richter: Ja. Also, das kommt schon, ich meine, meistens fängt es tatsächlich mit 'ner Rechtsberatung an. Man schaut, ob etwas dran ist. Das passiert meistens auch telefonisch. Wenn man zu dem Schluss kommt, ja das ist ein Fall, den man vertreten sollte, entweder im Widerspruchs- - also meistens ist es so, dass die Leute nach einem Ablehnungsbescheid anrufen - das man das schon im Widerspruchsverfahren, vertreten sollte, dann lassen die Betroffenen mir die Unterlagen oder uns die Unterlagen zukommen. Wir prüfen das und verfassen entsprechende Schriftsätze, eben zum Beispiel 'nen Widerspruch oder in einem Stadium später 'ne Klage, machen das geltend. Und natürlich kann es dann auch zu Gerichtsterminen kommen, zu Erörterungsterminen oder eben auch zu Verhandlungsterminen und dann muss natürlich jemand auch dort vor Ort sein. Das ist bisher auch mit sehr viel Zugfahrerei (lacht) verbunden, aber das hilft nichts, dann muss man natürlich vor Ort sein und der Gedanke dieser Gesellschaft ist zumindest mittelfristig, dass wir auch in die Regionen gehen. Das heißt, wir auch 'ne regionale Abdeckung mit angeboten bekommen. Ähm, anfangen wollen wir damit im nächsten Jahr. Das wir das eben nicht alles von Marburg aus machen, sondern da auch 'ne Niederlassung in Berlin dann zur Verfügung haben, die zumindest in Ostdeutschland, dann auch die Vertretung vor Gericht übernehmen kann.
Jörg Friedrich: Dann wünsche ich Ihnen, für Ihre weitere Arbeit viel Erfolg und bedanke mich für das Gespräch. Am Telefon war Dr. Richter, Geschäftsführer der "rechte behinderter menschen" gGmbH. Vielen Dank.
Dr. Richter: Danke

[Musikjingle]

Abmoderation:

Und hier noch einmal die Kontaktdaten der Rechtsberatungsgesellschaft "rechte behinderter menschen" gGmbH: Telefonisch unter 06421/9 48 88 32. Zu den telefonischen Beratungszeiten: Montags und Mittwochs von 13 bis 17 Uhr, Freitags von 9 bis 14 Uhr oder per E-Mail unter recht@dvbs-online.de.

Die Rechtsberatung wird ausschließlich von blinden und sehbehinderten Juristen durchgeführt, die über spezielles Know How, in behindertenrechtlichen Fragen verfügen. Für Mitglieder der DBSV Landesvereine und des DVBS ist die Dienstleistung kostenfrei.